„Die spezifische Unterscheidung, auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zurückführen lassen, ist die Unterscheidung von Freund und Feind. (…) Politisches Denken und politischer Instinkt bewähren sich theoretisch und praktisch an der Fähigkeit, Freund und Feind zu unterscheiden. Die Höhepunkte der großen Politik sind zugleich die Augenblicke, in denen der Feind in konkreter Deutlichkeit als Feind erkannt wird.“
So Carl Schmitt (1888-1985), wegen seiner Nazi-Vergangenheit einer der umstrittensten Juristen und Staatsrechtler der BRD in seiner 1927 veröffentlichten Arbeit „Der Begriff des Politischen“. Dabei ist es für ihn egal, ob es sich um ein rechtsstaatliches System oder um ein autoritäres handelt. Die Unterscheidung Freund – Feind ist der Treibstoff politischer Agitation.
Auch wenn viele meinen, dass die Politik der Feindschaft von einer Politik der Freundschaft abgelöst werden muss, da der stete Blick auf den bösen Feind eine realistische Sicht auf die facettenreiche Wirklichkeit verhindert. Ist der Feind nicht mehr vorhanden – wie z.B. nach dem Fall der Mauer und dem Ende des realen Kommunismus – dann fehlt Politik schnell Inhalt und Richtung. Ein neuer Feind muss her, um das Vakuum wieder zu füllen.
Auch wenn also viele meinen, dass Politik der Freundschaft das Politische von der Abhängigkeit von einem Feindbild befreit und Kreativität und Aktivität freisetzt, so feiert in Bayern Carl Schmitts primitiver Manichäismus weiterhin fröhliche Urstände.
Freilich, die SPD ist in Bayern längst kein Feind mehr. Zu klein und bedeutungslos. Wer da einspringt, sind heutzutage die Grünen, die den aufrechten Bayern die Sitze im Rathaus wegnehmen, die Zweitwohnsitzinhaber, die den Einheimischen die Wohnungen wegnehmen, und neuerdings sogar die Münchner, die es wagen, aus ihren Wohnsilos zum Tegernsee zu fahren, um unser schönes Tal zu vermüllen.
Sonst sind sie ja gerne gesehen. Auf Waldfesten, Nachtwanderungen, Montgolfiaden oder auch einfach nur im Bräu beim Zechen. Die Straßen können gar nicht voll genug sein. Klimawandel – kein Thema. Hauptsache, der Rubel rollt. „Wir“ leben vom Tourismus.
Im Zeichen des Virus sind „die Münchner“ jetzt plötzlich unsere ungehobelten Feinde geworden, von denen man Solidarität einfordern muss. Die Feindbild-Agenda stimmt wieder. Und die aufrechten Talbewohner scharen sich hinter den aufständischen Bürgermeistern. Fast wie damals in Sendling.
Die Mater-Bavariae der CSU anzurufen, war aber eine taktische Meisterleistung. Gekonnter ist vielleicht noch nie ein Sturm im Wasserglas inszeniert worden. Ilse Aigner hat noch nie etwas wirklich Bewegendes zustande gebracht. Als Landtagspräsidentin war sie wohl auch eine populäre, letztlich aber die verkehrte Ansprechpartnerin. Ohne Gesichtsverlust kann sie weiterhin machen, was sie am besten kann: nichts. Die Bürgermeister können dagegen sagen: Wir haben es ja versucht (und brauchen vor Ort nichts machen).
So sind alle zufrieden. Alles wieder gut, es bleibt, wie es ist. Hoffentlich sind die Isarpreussen nicht nachtragend und werden postcoronam wieder zu zahlungskräftigen Gästen. Ein neuer Feind wird sich sicher finden. Es gibt ja die Zweitwohnungssteuer.
Nix für ungut. Bleiben Sie gesund.
Ein Kommentar zu “Freund und Feind in der Politik”
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